Moderne Elektroautos wie der Škoda ENYAQ oder ELROQ gelten als rollende Computer. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Viele Infotainmentsysteme altern schneller als erwartet. Die Gründe dafür liegen tief in der Architektur der Fahrzeuge und den Strukturen der Softwareentwicklung im Volkswagen-Konzern.
Die Domänenarchitektur der MEB-Plattform: Ein System mit Tücken
Die MEB-Plattform von Volkswagen basiert auf einer sogenannten Domänenarchitektur. Das bedeutet, dass viele verschiedene elektronische Steuergeräte (ECUs) für spezifische Funktionen zuständig sind – etwa für Antrieb, ABS, Komfort oder Infotainment. Diese ECUs stammen oft von unterschiedlichen Zulieferern, die jeweils ihre eigene Software entwickeln. Diese Fragmentierung erschwert nicht nur die Kommunikation zwischen den Systemen, sondern macht auch Software-Updates komplex und zeitaufwendig.
Das wahrscheinlich prominenteste Beispiel ist das automatische und manuelle „PreHeating“ für Software Version 3. Es war nicht vorgesehen und daher nicht spezifiziert. Technisch machbar ist es, doch viele Hersteller müssen nun aktiv werden. Und jeder wird dafür Rechnungen stellen. Die Tests sind umfangreich und aufwendig.
CARIAD: Große Ambitionen, strukturelle Herausforderungen
Um die Softwareentwicklung zu zentralisieren, gründete Volkswagen eigens die Tochtergesellschaft CARIAD – CAR I Am Digital. Ziel war es, eine einheitliche Softwareplattform namens VW.OS zu entwickeln, die in allen Konzernmarken eingesetzt werden kann. Doch die Umsetzung verlief nicht reibungslos.
CARIAD agiert eher wie ein interner Dienstleister denn als ein eigenständiger Entwickler. Die Anforderungen kommen weiterhin von den einzelnen Marken, was zu langen Abstimmungsprozessen führt. Hinzu kommt die Eigenständigkeit einiger Marken und ihre Sonderwünsche. Statt zu führen, im Sinne eines SDV eines Software-definierten-Autos (Software Defined Vehicle), musste CARIAD spielen wofür die Marken zahlten.
In-Car Apps und ihre begrenzten Möglichkeiten
Während Systemupdates oft auf sich warten lassen, erscheinen regelmäßig neue Apps wie „Traffication“ oder „Powerpass Map“. Diese Apps werden direkt ins Fahrzeug-Frontend integriert. Allerdings haben sie keinen direkten Zugriff auf die Fahrzeugfunktionen oder Steuergeräte. Sie können weder beispielsweise die Klimaanlage steuern noch Daten von Batterie oder elektrischen Maschinen auslesen. Weil sie zudem mit einer anderen Technologie als das Infotainment selbst entwickelt werden, wirken sie auch nicht „wie aus einem Guss“, sondern teils wie ein Fremdkörper.
Auch die MyŠkoda App kommuniziert nicht direkt mit dem Auto, sondern über die Serverstruktur von VW. Das führt zu Verzögerungen und macht die Apps abhängig von der Serververfügbarkeit. Insbesondere in der Anfangszeit der MEB-Plattform gab es regelmässig Serverausfälle und die App funktionierte nicht.
Over-the-Air-Updates: Theorie und Praxis
Volkswagen hatte zum Marktstart grossspurig angekündigt, dass alle MEB-Fahrzeuge over the air, also ohne Besuch bei der Werkstatt, aktualisiert werden könne. Und das trotz der über 50 Steuergeräte. Selbst diese wären über Over-the-Air (OTA) aktualisierbar. Neue Funktionen und Updates wurden sogar im Quartalsrhythmus in Aussicht gestellt.
Heute, bald 5 Jahre später, kennen wir die Realität und diese sieht komplett anders aus. Updates verzögern sich, schlagen fehl oder führen zu neuen Fehlern. So überhaupt welche kommen. Aus „alle 3 Monate“ wurde eher „alle paar Jahre“. Aus Over-the-Air wurde in tragischer Scherzhaftigkeit für viele Kund:innen Over-the-Autohaus. Ein Running Gag in der Community, wäre es nur nicht so traurig.
Ein Beispiel ist der Škoda ENYAQ iV, also der ENYAQ der ersten Generation, bei dem Softwareupdates mehrheitlich im Autohaus eingespielt werden müssen und wo das wichtigste Update auf Version 3.7 schon seit bald einem Jahr läuft und noch immer viele Kund:innen warten.
Ein langer Weg zur Software-Zukunft
Die Herausforderungen bei der Softwareentwicklung und -aktualisierung in Fahrzeugen wie dem Škoda ENYAQ oder dem ELROQ zeigen, dass Volkswagen und somit auch Škoda noch einen weiten Weg vor sich haben. Die aktuelle Architektur mit vielen ECUs und unterschiedlichen Softwareständen erschwert schnelle und zuverlässige Updates. Die zentralisierte Entwicklung durch CARIAD ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch strukturelle Probleme und Verzögerungen bremsen den Fortschritt.
Die Lösung beginnt somit schon grundlegend bei der Architektur der Fahrzeugsysteme und das ist auf der aktuellen Plattform nicht möglich. Aus der Domänenarchitektur wird eine Zonenarchitektur mit weniger als 10 Steuergeräten, ideal nur 3-5. Die Entwicklung folgt führend in der Software, das Auto folgt. War dies bei Markstart der MEB-Plattform noch nicht möglich, weil es schnell gehen musste (man nahm also, was man hatte) so wird die nächste Plattform (die ab 2029/2030 erwartet wird) grundlegend anders aussehen.
Bis dahin bleibt nur zu hoffen, dass sie mit den neueren Software-Versionen zumindest einige der Schwächen ausgleichen können und Updates regelmässiger möglich werden.
Alles wirklich schlecht?
Nein, überhaupt nicht. Trotz aller Herausforderungen darf man eines nicht vergessen: Die aktuelle Softwareversion 5.4 ist ein großer Fortschritt. Sie läuft stabil, die Assistenzsysteme arbeiten zuverlässig und deutlich harmonischer als bei vielen anderen Herstellern. Auch die Personalisierungsmöglichkeiten sind durchdacht und vielfältig. Kurz gesagt: Die Software ist auf einem modernen Stand – und zeigt, was möglich ist, wenn Systeme ausgereift sind.