Lohnt sich die stärkere Ladeleistung beim ENYAQ 85x mit 175 kW wirklich?
In meinem aktuellen Praxistest wollte ich genau diese Frage beantworten – unter kontrollierten Bedingungen und mit klarer Zielsetzung. Doch was als geplanter Vergleich startete, entwickelte sich zu einer hochinteressanten Analyse voller unerwarteter Effekte. Hier erfährst du, was passiert ist – und was das für deine Kaufentscheidung bedeutet.
Testaufbau: Zwei Fahrzeuge, zwei Akkus, gleiche Bedingungen
Für diesen Test habe ich zwei Škoda ENYAQ Facelift Modelle verwendet:
- ENYAQ Coupé 85 (Heckantrieb) mit 135 kW maximaler Ladeleistung
- ENYAQ SUV 85x (Allrad) mit 175 kW maximaler Ladeleistung
Beide Fahrzeuge besitzen technisch gesehen denselben 77 kWh-Akku, unterscheiden sich aber im freigegebenen Ladeverhalten. Geladen wurde im Solar Skypark Freistadt an leistungsfähigen 300 kW Alpitronic-Säulen – bei idealen Bedingungen (Temperatur, Vorkonditionierung, Ladezustand).
Was eigentlich passieren sollte…
Laut Škoda beträgt die Ladezeit von 10 % auf 80 % bei beiden Varianten 28 Minuten. Die Theorie: Die 175 kW-Version lädt anfangs schneller, wird aber gegen Ende vom 135 kW-Modell eingeholt. Die zentrale Frage lautete: Bringt der Allrad mit 175 kW im Alltag wirklich einen Vorteil – oder ist es nur ein Zahlenwert auf dem Papier?
…und was tatsächlich passiert ist
Wir haben beide Fahrzeuge auf exakt 10% Ladestand gefahren und die Batterieheizung eingeschaltet sodass wir eine optimale Ladegeschwindigkeit erzielen. Beide Fahrzeuge haben dies auch entsprechend im Display gemeldet. Trotz idealer Vorbereitung kam es zu zwei signifikanten Abweichungen, die das Ergebnis beeinflusst haben:
1. SOC-Sprung beim 85x: BMS-Kalibrierung?
Beim SUV sank der angezeigte SoC unmittelbar nach dem Anstecken von 10 % auf 7 % – ohne realen Energieverlust. Diese Abweichung könnte auf eine Batteriemanagement-Kalibrierung (BMS) hindeuten, die jedoch nicht transparent kommuniziert wird. Ergebnis: Das Fahrzeug lud 3 % mehr als geplant – was die Ladezeit künstlich verlängerte.

2. Ladeeinbruch durch Überhitzung beim 85x
Beim 175 kW-Modell trat vermutlich ein Temperaturproblem auf. Die Batterietemperatur stieg über 50 °C – offenbar zu viel für die aktive Kühlung, die zu spät einsetzte. Die Folge: Einbruch der Ladeleistung ab ca. 45 % SoC, obwohl technisch mehr möglich gewesen wäre.
3. Ladeeinbruch durch Ladestation beim 85
Bei ca. 70% fiel die Ladeleistung der 135kW Batterie spontan von knapp 100kW auf 60kW. Dies wurde nach meiner Analyse von der Ladesäule verursacht, da der ENYAQ 85 mehr Strom angefordert hat als die Säule zur Verfügung stellte. Daraus resultierte eine Zeitverzögerung.


Was die Datenanalyse zeigt
Ich habe über 20.000 Messpunkte analysiert – Stromstärke, SoC-Verlauf, Ladeleistung, Temperaturverläufe. Die Ergebnisse:
- Der 135 kW ENYAQ lädt stabiler mit gleichbleibender Leistung, hat aber gegen Ende einen unerwarteten Ladeeinbruch (durch die Ladesäule, nicht das Auto). Hier hat der ENYAQ mehr Strom angefordert als die Säule liefern konnte. Ebenso das schwankende Wellenmuster zu Beginn stammt von der Ladesäule.
- Der 175 kW ENYAQ lädt schneller – aber nur bis ca. 65 % SoC. Danach gleichen sich die Ladestände und die Zeit der beiden Batteriemodelle an. Allerdings zeigen diverse Ladevorgänge das er ein Wärmeproblem hat, da die Ladeleistung bei nunmehr 4 Tests an unterschiedlichen Ladesäulen mit unterschiedlichen Autos immer das gleiche Verhalten gezeigt hat. Ein Einbruch bei ca. 40-45% SoC sobald die Temperatur der Batterie 50°C übersteigt.


Fazit: Reicht 135 kW – oder lohnt sich 175 kW?
Wenn du regelmäßig kurze Ladesessions zwischen 10 und 60 % machst (z. B. auf Langstrecken mit optimaler Ladeplanung), bringt dir der 175er einen kleinen Zeitvorteil von maximal 2 Minuten bei ca. 40% SoC. Bei 60% SoC beträgt er noch 1 Minute.
Aber:
Wenn du keinen Allradantrieb brauchst, ist die Mehrinvestition nur wegen der Ladeleistung kaum gerechtfertigt. Dann lieber in Ausstattung investieren – z. B. ins Advanced-Paket mit Head-up-Display.
Ein Wunsch an Škoda
Wir als Community wünschen uns von Škoda Auto mehr Transparenz beim Thema Ladeverhalten – vor allem:
- Eine Erklärung für den SoC-Sprung bei neuen Fahrzeugen
- Eine Optimierung der Batteriekühlung beim 85x/175 kW-Modell
UX bedeutet auch: Verstehen, was im Fahrzeug passiert.
Wie immer gibt es alle Details und sämtliche Diagramme im Video!